Kiezmenschen

Kiezmenschen

Auf 'ne Buddel ...

Transkript

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00:00:02: Keatsmenschen, der Podcast zur Serie der Hamburger Morgenpost.

00:00:05: Unterstützt werden wir von kultkeatstouren.de.

00:00:08: Kultkeatstouren will mit uns auch die Geschichten der Menschen erzählen, die St.

00:00:11: Pauli ausmachen, aber in der Öffentlichkeit zu kurz kommen.

00:00:14: Viele der Geits sind übrigens auch Keatsmenschen und waren schon selbst bei uns im Podcast zur Gast.

00:00:18: Wer genau findet ihr auf kultkeatstouren.de.

00:00:22: Hallo, ich bin Wiebke Bromberg und heute mit meinem Kollegen Marius Röhr bei Susanne Finknodel, Leiterin des Nachbarschaftsheims St.

00:00:30: Pauli an der Silversackstraße.

00:00:32: Hallo, liebe Susanne.

00:00:34: Hallo, guten Morgen.

00:00:35: Das habe ich vorher geübt mit dieses Nachbarschaftsheims.

00:00:39: Mit dem Ess hinten noch dran, gar nicht so einfach.

00:00:42: Ist mir voll aufgefallen.

00:00:44: Ich bin hier schon echt häufig vorbeigegangen, also sehr, sehr häufig.

00:00:49: Und das Gebäude ist mir schon aufgefallen, aber ihr habt hier so ein Zaun davor, der so ein bisschen die Sicht schwierig macht.

00:00:56: Deswegen, dass hier dieses Nachbarschaftsheim ist, das war mir nicht bewusst.

00:01:00: Also ich wusste es, das gibt auf Sankt Pauli, aber dass ihr hier seid, wusste ich überhaupt nicht.

00:01:05: Ja, das geht vielen so.

00:01:07: Und dieser Begriff Heim ist ja auch ein bisschen verwirrend.

00:01:11: Also in Berlin sind ... viele solche Häuser in Haus umgewandelt worden, also Nachbarschaftshaus.

00:01:19: Und das würde ja auch den Inhalt besser treffen, was wir hier machen.

00:01:22: Aber unser Vorstand findet eben, dass diese siebzigjährige Tradition, die das Haus und der Verein halt mit dem Namen hat, dass das so bleiben soll.

00:01:35: Und ich kriege dann manchmal Pflegebetten angeboten in Telefonaten und muss sagen, nein, wir pflegen hier nicht.

00:01:42: Das ist kein Pflegeheim.

00:01:44: Und ja, es ist so ein bisschen unscheinbar hier zwischen dieser ganzen Leucht-Reklame von vielen Bars und Kiosken und so.

00:01:52: Und wir sind da sehr zurückhaltend.

00:01:55: Und wir hatten auch lange Zeit gar kein Schild am Haus.

00:01:57: Da wusste man eigentlich gar nicht, was ist hier.

00:02:00: Und ja, also so dieser große Zaun ist natürlich sehr hässlich.

00:02:06: Und der ist hier leider nötig, damit nicht zu viele Leute darüber klettern.

00:02:12: übernachten und hier auch nachts eben, die das den Garten und so nutzen für Party oder andere Zwecke.

00:02:22: Also das ist halt Toilette.

00:02:24: Also ja, wir haben auch tagsüber hier manchmal das Toilettenthema und am Wochenende wissen wir halt, dass hier dieser Zaun wirklich reinweise als Toilette genutzt wird und wir haben da auch schon versucht.

00:02:38: ob man da nicht ein bisschen das besser gestalten kann oder so.

00:02:42: Aber ja, das ist dann halt auch irgendwie St.

00:02:44: Pauline.

00:02:45: Und es fliegt auch übers Wochenende immer eine Menge Zeug über ein Zaun, leergeräumte Portemonnaies, Kreditkarten, diese komischen Flaschen mit Lachgas haben wir oft hier und ja alle möglichen Müllarten.

00:03:03: Und wir haben zum Glück einen freundlichen ehrenamtlichen Aktuell, der dann immer schon bevor wir überhaupt auftauchen im Garten war und hat das alles weggeräumt.

00:03:10: Das ist aber nett.

00:03:12: Ja, das ist total nett.

00:03:13: Und

00:03:13: hier das Diebesgut, was man nicht braucht, wird über den Zaun geworfen.

00:03:16: Ja, genau.

00:03:17: Ach,

00:03:17: hier.

00:03:17: Und dann müsst ihr erst mal, bevor ihr hier euren Dienst antreten könnt, müsst ihr erst mal zur Davidbache oder wie?

00:03:22: Ja,

00:03:23: oder wir rufen direkt an geben, weil das dauert bei der Polizei ja auch immer relativ lange.

00:03:28: Und manchmal versuchen wir halt dann die Telefonung.

00:03:31: mal irgendwie rauszukriegen, wenn da was weiß ich, irgendeine Arbeitsstelle da ist oder eine Krankenkarte über Krankenkasse, Bank, manchmal kriegt man ja die Adresse dann raus oder googelt und kriegt, meine Kollegin hat schon über Facebook jemanden gefunden oder halt über die Adresse, dass man irgendwie findet, der denjenigen kennt oder direkt erreichen kann.

00:03:54: und dann können die halt entscheiden, sollen wir es zu David Wache geben oder holen sie es direkt ab, also fast alle die Wir erwischen, die kommen hierher und holen sich das dann gerne ab, weil sie dann

00:04:05: nur gegen Spende, oder?

00:04:07: Wenigstens gegen ... Naja.

00:04:09: Ich meine, ihr seid ein Verein.

00:04:11: Wenn ihr euch schon die Mühe macht und die Anruft und so und ausfindig macht, dann könnten die ja wenigstens hier eine schöne Spende lassen.

00:04:18: Ja, auch.

00:04:20: Manchmal gibt es eine Schokolade oder so.

00:04:22: Also ist auch okay, weil irgendwie ist das sehr nervig.

00:04:25: Wenn man hier eine nette Party hatte und wird dann eben ausgeraubt, ist ja auch für viele ein Schock und Schreck.

00:04:32: Und das Geld ist ja sowieso dann immer weg.

00:04:36: Und ja.

00:04:37: Also weil es Bescheid, wenn mein Popmon immer weg ist und ich auf dem Kiez fahre komme ich ruf ich direkt bei euch an, ob ihr es gefunden habt.

00:04:43: Wie oft kommt das vor?

00:04:47: Ist einmal im Monat.

00:04:48: Ich hab auch schon mal eine komplette Handtasche im Müll gefunden bei uns.

00:04:51: Da stand der Container nicht.

00:04:53: Es war nicht ordentlich weggeräumt und war so hier draußen halt.

00:04:57: Und dann ist tatsächlich eingebrochen worden im Krankenhaus hier in der Klinik.

00:05:02: Und dann hat jemand rausgefunden, wann sind die Frauen im Zimmer im OP?

00:05:08: Und dann sind die dort in ihrem Zimmer ausgeraubt worden.

00:05:11: Und wir haben die Reste der Handtasche hier bei uns im Container gefunden.

00:05:15: Also das ist ... Das ist schon krass.

00:05:17: Irgendwann kommt irgendjemand von sonst woher angefahren und hat dann so eine OP vor sich und erfährt dann ja alles weg.

00:05:28: Und das ist gerade bei euch hier.

00:05:30: Ihr seid halt eines der wenigsten, wenigen Grundstücke hier, die einen Garten haben

00:05:35: und

00:05:35: die irgendwie begehbar sind.

00:05:37: überhaupt was rüberwerfen kann.

00:05:39: Ansonsten kann man hier nur eine Hauswende werfen.

00:05:42: Du hast gerade schon gesagt,

00:05:43: siebzech

00:05:44: Jahre gibt es euch hier schon Wahnsinn.

00:05:46: Ja, genau.

00:05:47: Also das ist entstanden, ich glaube, zweinfünfzig, also schon ein bisschen drüber sogar, dass hier die damals Fürsorge und eben gemerkt hat, die Familien und Kinder kommen auf St.

00:06:02: Pauli zu früh mit eben Alkohol und Prostitution in Kontakt und es müsste irgendwas für die getan werden.

00:06:11: Und dann ist das eben erst mal mit ehrenamtlichem Engagement entstanden, dass halt für Familien was getan wurde und später hat sich das dann aufgeteilt in unsere Seniorenabteilung und in den Treffpunkt und nebenan ist eben die Kinderjugend, freie Kinderjugendarbeit, die dann Ja, diese beiden Abteilungen hat unser Verein und dann ist ja auch schon zu Ende.

00:06:35: Also lange Historie.

00:06:38: Was bietet ihr denn genau hier?

00:06:40: Was ist das hier für ein Ort?

00:06:44: Neu-Deutsch ist das jetzt der dritte Ort im Grunde genommen oder eben hier zweites Wohnzimmer, wie wir das sagen würden.

00:06:54: Das ist halt die Möglichkeit bietet für sehr wenig Geld.

00:06:58: Also wir nehmen fünfzig Cent für den ganzen Nachmittag und man kriegt dann Kaffee und Tee.

00:07:04: so viel man möchte.

00:07:06: Wir verteilen die Lebensmittel von der Hamburger Tafel, so dass wir eben für Themen wie Einsamkeit oder eben allein lebende Menschen, die sonst nur in ihrer Wohnung mit sich wären oder so und für altersarme Menschen die Möglichkeit bieten.

00:07:25: Ja, Freunde zu finden, sich zu treffen, zu spielen, eigentlich ein soziales Leben zu haben und die sich ja dann hier auch organisieren können.

00:07:37: Also die treffen sich ja dann auch unabhängig von uns oder bringen sich gegenseitig auf Ideen.

00:07:44: Zum Beispiel eine Dame gestern kam hier ja und mit all inklusiv gehen wir ins Kino und die hat dann noch andere gefragt, wollt ihr mitkommen?

00:07:52: und so.

00:07:53: Also dass so eine Vernetzung auch stattfindet.

00:07:55: Mit der Mietgerau.

00:07:56: Eine tolle Frau.

00:07:59: Kann man ja ruhig mal nennen.

00:08:04: Und wir eben auch durch meine Mitarbeiterinnen, die ja türkisch-kurdischsprachig ist, eben auch eine große Zahl von türkischsprachigen und kurdischsprachigen Frauen, ehemals Gastarbeiterinnen, erreichen, die ja sonst typischerweise keine großen Austauschorte außerhalb des haben.

00:08:26: Also man sieht ja dann eher Männer in irgendwelchen Cafés oder so und auch viele von ihnen haben ja, dass das eint eigentlich alle Besucherinnen, dass es vielen finanziell nicht gut geht und das eben dann wichtig ist, so ein Ort zu haben, wo man den Nachmittag verbringen kann, ohne jetzt fünf Euro für den Kaffee ausgeben zu müssen.

00:08:49: Also und auch keinen Verzehrzwang hat oder so irgendwas.

00:08:53: Also das ist halt hier wirklich dann eine Supermöglichkeit und sich zu treffen und eben auszutauschen für beide Communities.

00:09:02: Und das ist hier so, dass natürlich jeder so auch seinen Lieblingsstammplatz hat.

00:09:06: Und dann gibt es eben tatsächlich türkisch kurdische Tische und.

00:09:12: deutschsprachige Tische.

00:09:16: Also es mischt sich an einigen Tischen, an anderen nicht so.

00:09:19: Und wir greifen da eigentlich nicht ein, solange es nicht irgendwelche großen Streiterer in Eskalationen gibt, dann sind wir natürlich dafür da, das dann zu gucken, was ist gerade los, warum geht das hier so laut zu oder so, dass wir dann natürlich, ja,

00:09:36: wieso gibt's Streit?

00:09:37: Ja.

00:09:38: Ja, wieso denn?

00:09:39: Ich meine, die sollen noch hier fröhlich sein.

00:09:41: Genau, das hoffen wir natürlich.

00:09:43: Aber ich sag mal, jeder bringt so seinen Päckchen mit und hat ja vielleicht auch schwierige biografische Erfahrungen im Hinblick auf Diskriminierungserfahrungen, auf Familienverhältnisse.

00:09:57: Also nicht jede... Frau oder Mann, die hierher kommen, haben eine gute Kindheit gehabt oder ein gutes Leben gehabt.

00:10:10: ist ja auch im Alter dann die Situation.

00:10:12: das, was dann ist an finanziellen Möglichkeiten und überhaupt ist dann ja auch irgendwie festgeschrieben.

00:10:19: Also jeder, der Grundsicherung aufstockend zur Rente braucht, weiß, das wird sich jetzt nicht mehr ändern so bis zum Lebensende.

00:10:26: Und dann kämpft ja hier auch jeder, jede mit irgendwelchen Erkrankungen, oft auch eben mehreren Erkrankungen gleichzeitig.

00:10:34: Das erstreckt sich.

00:10:35: psychiatrische Erkrankungen, körperliche Erkrankungen und das trägt ja alles nicht unbedingt zur Frühlichkeit bei.

00:10:45: Und wenn dann halt hier jemand mit richtig schlechter Laune sitzt oder eben auch selber Diskriminierungserfahrung hat, ist ja auch wahrscheinlich, dass er vielleicht dann auch auf andere nicht unbedingt so... Ja, Ressourcenorientiert reagiert, sondern auch...

00:11:00: Das hast du aber schön gesagt.

00:11:02: Ja, sondern dass eben echt auch mal die Fetzen fliegen und dass wir dann natürlich auch gucken müssen, woran liegt das.

00:11:07: Und dann gibt es natürlich auch abfällige Bemerkungen von anderen Tischen zu bestimmten Situationen und es ist dann auch wirklich...

00:11:13: Was zum Beispiel, was muss ich mir darunter vorstellen?

00:11:17: Ja, der ist ja jetzt schon wieder hier angerannt gekommen und hat sich beschwert.

00:11:24: Das heißt jemand, der an einem ganz anderen Tisch ist, der vielleicht gar nicht so genau alles mitbekommt, aber dann eben so eine Meinung zu haben zu bestimmten Menschen, einfach weil sie eine bestimmte Sprache sprechen oder Herkunft haben.

00:11:40: Das findet dann alles in einem Raum statt, auch bei uns.

00:11:44: Da kann es auch krachen.

00:11:48: Aber nur verbal.

00:11:50: Ja, der Kraft ist

00:11:50: verbal.

00:11:51: Ja, genau.

00:11:52: Was aber ja nicht unbedingt weniger verletzend ist.

00:11:56: Klar, natürlich.

00:11:58: Aber wie gehst du dann dazwischen?

00:11:59: Was machst du?

00:12:00: Verweißt du dir Leute auch das Hauses oder?

00:12:04: Wenn es Situationen gibt, die ich gar nicht mehr eingefangen bekomme, ja.

00:12:09: dann setze ich tatsächlich hier ein Hausrecht durch und vorher versuchen wir natürlich mit Gesprächen dazwischen zu gehen und zu sprechen erstmal in Ruhe und zu sagen, so sollen wir mal nach nebenan gehen.

00:12:23: Wir setzen uns erstmal an den Tisch und überlegen das.

00:12:25: Es gab aber auch schon Situationen, die gerade durch diese Situation irgendwo in extra Raum sich an den Tisch zu setzen und reden zu.

00:12:34: sollen, dass das eine weitere Eskalation bewirkt.

00:12:37: Weil das ist einfach nicht in jedem Verhaltensrepertoire der Besucherinnen vorhanden, dass man dadurch Lösungen finden kann oder eine Situation verbessern kann, sondern es ist halt... weitereskaliert.

00:12:48: Es wurde noch lauter oder so.

00:12:50: Dann wie eine Bestrafung.

00:12:51: Jetzt muss ich auch noch hier in den Raum.

00:12:53: Genau,

00:12:54: genau.

00:12:55: Also sowas kann auch sein.

00:12:56: Und dann gibt es eben Abstufungen.

00:12:58: Manchmal kriegen wir es wieder eingefangen und dann geben wir halt mit Erklärung, warum wir jetzt zum Beispiel lüften müssen, warum es nicht geht, dass dreißig Leute in einem Raum.

00:13:07: drei Stunden, vier Stunden zusammensitzen, ohne dass man lüftet.

00:13:10: Das ist trotzdem jedes Mal wieder ein Thema.

00:13:14: Seit Corona haben wir das halt, dass das nicht so einfach ist, solche, ich sag mal, alltäglichen Sachen tatsächlich auch durchzusetzen.

00:13:25: Seit

00:13:25: Corona?

00:13:26: Wieso?

00:13:27: Ja, also ich mein, inzwischen ... Wir waren ja geschlossen zu Corona und dann wurde wieder geöffnet.

00:13:33: Und eigentlich in der Corona-Zeit ist ja viel durch die Presse gegangen, dass man eben auch Räume lüften sollte, wenn sich mehrere Menschen drin aufhalten oder wenn die Luft enger wird oder so.

00:13:44: Und dann ist aber immer so, ja, mir ist aber kalt.

00:13:47: Und dann streiten sich halt zwei Bedürfnisse.

00:13:49: Der eine nimmt wahr, ja, die Luft ist sehr schlecht.

00:13:51: Der andere nimmt wahr, ja, ich friere aber alles.

00:13:53: Also solche Kleinigkeiten können dann schon zu einer Eskalation führen.

00:13:56: Ja.

00:13:57: Fenster auf oder zu?

00:13:58: Ja.

00:13:59: Das ist ja nicht so einfach dann für euch hier.

00:14:02: Nee, Winter ist ...

00:14:04: Winter ist ganz schwierig.

00:14:05: Okay, ja, das hört sich ziemlich schwierig an, ja.

00:14:10: Aber die Menschen, die so kommen, du hast gerade schon gesagt, es sind viele, die auch wirklich im Alltagsarmut leben.

00:14:18: Und die sind aber alle hier aus dem Stadtteil?

00:14:20: Das sind tatsächlich Nachbarn,

00:14:22: oder?

00:14:22: Ja, ein, also einige Jahre.

00:14:25: viele ja und das kommen aber auch aus ganz anderen Stadtteilen.

00:14:29: Also wenn denen eben das hier sehr gut gefällt, dann fahren sie dafür auch Bus, U-Bahn, S-Bahn, was auch immer und kommen eben auch von entfernteren Stadtteilen zu uns.

00:14:40: und ja das ist eben auch möglich und das ja also das nicht Viele, die meisten sind schon hier aus dem Stadtteil und haben auch hier eben ihr Leben verbracht.

00:14:55: haben hier gearbeitet in den verschiedenen Berufen und Gewerben und kennen sich auch dann untereinander.

00:15:04: Oft eben für uns oder für mich bin hier seit vierenhalb Jahren.

00:15:08: Ist es dann ein neues Gesicht und dann kennen die sich aber schon vierzig Jahre oder so.

00:15:12: Das passiert hier auch, weil sie dann halt sich von früher kennen oder im selben Haus wohnen oder irgend sowas.

00:15:18: Und ja, das ist verschieden.

00:15:22: Und Auch Menschen, also jetzt aus dem Milieu, die damals im Milieu gearbeitet haben.

00:15:28: Genau.

00:15:29: Wir haben hier ehemalige Sexarbeiterinnen, wir haben hier Hauswirtschafterinnen, wir haben Barbesitzer und ja in der Gastronomie, die eben in der Gastronomie gearbeitet haben.

00:15:41: Und allen ist eigentlich gemeinsam, dass sie dadurch sich nicht eine solide Rente erwerben konnten.

00:15:48: und nicht unbedingt im Wohlstand leben, sondern eben auch tatsächlich dadurch oder auch unabhängig, das weiß ich natürlich nicht auch.

00:15:59: früher schwere Erkrankungen erleiden, also so diese durchschnittliche Lebenserwartungen, die wir hier in Deutschland haben, erreichen viele nicht.

00:16:08: Und wir haben hier auch tatsächlich mit vielen Todesfällen zu tun, dass wir halt dann merken Menschen, die hier immer oder auch täglich hergekommen sind, dass die halt wenn sie sich stark verschlechtern, natürlich nicht unbedingt pflegende Angehörige haben und sorgende Familien um sich herum haben, die dann eingreifen, sondern dass das, selbst wenn Kinder da sind, nicht unbedingt die Kinder dann geeignet sind, um so eine Versorgung in Gang zu setzen oder gar selber zu helfen oder so.

00:16:41: Also da erleben wir eben auch Dinge, dass wir dann plötzlich merken, oh, es gibt da zwar ein Bruder, aber den hat ... Sie eigentlich seit fünfzig Jahren gar nicht mehr gesprochen.

00:16:52: Und auch gerade für Menschen mit Demenz, die sich halt demenziell verschlechtern, erleben wir hier, dass das eine ganz, ganz schlimme Lebenssituation bedeutet, ohne diese Angehörigen zu sein.

00:17:05: Also der normale Sprachgebrauch, das ganze Pflegestärkungsgesetz geht ja davon aus, Menschen haben pflegende, sorgende Angehörige.

00:17:14: Und blendet eben auch aus, dass es ja doch sehr viele gibt, die da das halt nicht haben und dass es dafür dann eben auch nicht unbedingt geeignete Maßnahmen gibt oder Überbrückungen zwischen den Hilfesystemen.

00:17:28: Also dass, dass man diese Menschen eben dann auch anders begleitet und diese Familie ersetzt, wenn sie nicht.

00:17:36: Das tut ihr, ja?

00:17:38: Also ja.

00:17:40: Also eigentlich ist es nicht eure Aufgabe, aber das tut ihr trotzdem?

00:17:45: Ja genau, das tun wir trotzdem, weil wir kriegen ja auch dadurch, dass die Menschen hier regelmäßig kommen oder täglich kommen, bekommen wir ja mit, wenn sich jemand in Richtung Demenz verändert, verschlechtert.

00:17:59: Und wenn wir dann eben sehen, das Netz, das Hilfennetz reicht überhaupt nicht aus.

00:18:04: Also gibt es zum Beispiel keine rechtliche Betreuung, gibt es keinen Pflegedienst oder so.

00:18:09: Oder es gibt sogar eine rechtliche Betreuung, die ist aber nicht absolut nicht ausreichend.

00:18:13: Oder es gibt sogar einen Pflegedienst, aber der tut nicht, was er soll, weil es beschwert sich ja auch niemand.

00:18:20: Also wenn ein rechtlicher Betreuer kaum was macht oder auch einen Pflegedienst nicht das macht, was sie tun sollten, wer beschwert sich denn dann da?

00:18:29: Niemand.

00:18:29: Hast du da ein Beispiel?

00:18:31: Ich meine Pflegedienst.

00:18:32: Ja, da haben wir öfter...

00:18:35: Was euch dann hier erzählt wird oder was ihr mit kriegt?

00:18:38: Ja, also wir kriegen halt mit, dass dann... Bei einer alten Dame war das so, dass sie halt im dritten Stock wohnte und mit ihren G-Stützen nicht mehr rausgekommen ist und das wir dann mitbekommen haben.

00:18:51: Da gibt es ein Pflegedienst, aber der Kühlschrank ist leer und sie entwickelt langsam Probleme, die unbedingt medizinisch abgeklärt werden müssten und es gibt keine Medikamente, es gibt keinen Pflegedienst und es ist auch unglaublich schmutzig.

00:19:07: Und das alles, da gibt es keine Unterstützung.

00:19:11: Und dann sind wir dem nachgegangen, haben mit dem Pflegedienst geredet oder so.

00:19:15: Und dann gibt es halt Situationen, dass dann kommt jemand vom Pflegedienst, oft ja auch immer wieder wechselnde Personen.

00:19:21: Das heißt, ein Mensch mit dem Mensch kann gar keinen Vertrauen zu den Pflegepersonen aufbauen, weil immer wieder jemand anderes kommt.

00:19:29: Und dann sagt sie, ja, die jungen Dinger, wenn die dann schon da stehen und fragen, ja, was soll ich denn machen?

00:19:36: Ach, dann sage ich schon, ach, geh wieder nach Hause.

00:19:39: Also dieses Selbstverständnis, wie die Menschen noch erzogen worden sind und dann jemand, der offensichtlich den Schmutz nicht sieht oder nicht sagt, so, ich bin wieder da und ich fange heute mal mit der Küche an, ist das okay?

00:19:53: Also dann so proaktiv auch sein.

00:19:55: Man muss ja auch dann ein bisschen eine andere Kommunikation anwenden.

00:19:59: Dann sind die wieder gegangen.

00:20:01: Und wenn ich dann hingekommen bin und habe gesagt, du sagst mal, da ist eine Fütze vor dem Klo und so.

00:20:05: Ja, das war ich nicht.

00:20:07: Das war der Pflegedienst.

00:20:08: Ich sag, ach, der Pflegedienst war da.

00:20:10: Ja.

00:20:11: Ja, und dann sind die wieder gegangen.

00:20:13: Ja, super.

00:20:14: Und du gehst dann richtig zu den Leuten nach Hause?

00:20:16: Ja, genau.

00:20:17: Ich gehe da nach Hause.

00:20:18: Und das ist halt hier meine kleine persönliche Spielraum, den ich habe, dass ich dadurch, dass wir dann hier eben eine Kollegin habe, die ja dann auch immer jemand hier ist.

00:20:31: Und dann auch, wir werden wir Praktikantinnen haben, dass wir Unterstützung haben, dass ich dann hier eben auch solche Hausbesuche machen kann.

00:20:40: Oder auch mal meine Kollegin zu jemandem nach Hause geht, die längerfristig erkrankt ist und ein bisschen Tafel bringt und mal zehn Minuten redet.

00:20:47: Also auch, dass wir die Menschen nicht ganz aus dem Auge verlieren.

00:20:50: Aber es ist halt für uns eigentlich zeitlich eine Katastrophe.

00:20:53: Das gehört eigentlich nicht... zu unserer Arbeit, aber was die Menschen wachsen uns ja hier auch ans Herz.

00:21:00: Also ich sehe die Menschen ja öfter als meine Kinder oder als meine Freundin oder so, wenn ich die hier jeden Tag auf Menschen treffe und diese Not halt auch hautnah erlebe.

00:21:13: So und dann eben auch erlebe eine vormals total gepflegte Frau mit guter Kleidung und so war es die gearbeitet hat und so, die dann so nach und nach, dass alles nicht mehr auf die Reihe bekommt oder so.

00:21:29: Und da gibt es eben dann auch nicht diese Rolle im Hilfesystem, die dann auch wirklich begleitet oder dass ich dann jemanden in Gang setzen könnte.

00:21:41: Und dann ist eben da zum Beispiel passiert, dass wir dann sehr intensiv auch mit der Diakonie zusammen und mit der Pastorin zusammen eben versuchen haben für die Dame überhaupt erst mal wieder nach Haus, Ärztin zu installieren, dass sie wieder mit jemandem, der nach Hause kommt, weil sie kam ja nicht raus.

00:22:00: Und irgendwann hatte sie kein Geld mehr.

00:22:01: Sie konnte sich also auch nichts mehr einkaufen.

00:22:03: Sie konnte auch dem Pflegedienst kein Geld mehr geben und die haben sich halt auch gar nicht gekümmert.

00:22:08: Also dann sitzt jemand in seiner Wohnung und wir wussten, okay, wir haben jetzt Weihnachtsferien und wenn wir alle zwei Wochen in Weihnachtsferien gehen, ist sie hinterher verhungert.

00:22:17: Dann haben wir halt ist jeder zweimal hingefahren in den Ferien und war bereit, um das zu überbrücken.

00:22:25: Und natürlich war sie trotzdem total einsam.

00:22:28: Aber ja, genau, also solche Situationen erleben wir hier halt.

00:22:34: Ganz schön krass, ne?

00:22:35: Ja, sehr krass.

00:22:36: Und das ist auch, ich meine, theoretisch haben wir ja als Sozialarbeiterinnen auch mal gelernt, so Thema Nähe, Distanz, professionell.

00:22:45: Und ... Ja, das ist aber hier wahnsinnig schwierig.

00:22:49: Also wenn dann jemandem was passiert oder jemandem von heute auf morgen rausgerissen wird, durch einen Schlaganfall, durch einen Sturz, pflegebedürftig wird und dann nicht wieder zurück in die Wohnung kann und dann weg aus St.

00:23:01: Pauli und dann wissen wir aber, hier hat das ganze Leben stattgefunden.

00:23:04: Hier sind die Bekannten, hier sind die Freunde, hier sind die vertrauten Orte und dann braucht jemand aber ein Pflegeheim und dann ist er eben weg.

00:23:12: So von heute auf morgen.

00:23:14: Also das sind einfach auch so ganz krass.

00:23:16: grausame Situationen, die dann passieren.

00:23:20: Und ja, wir haben natürlich keine Lösung.

00:23:22: Wir können ja diese Pflege dann auch nicht anders gestalten oder da.

00:23:27: Wir haben auch gar keine Rolle.

00:23:28: Also das hat mich auch bei einem Besucher mal wirklich ein bisschen irre gemacht, dass Es gab eine rechtliche Betreuung, es gab ein Pflegedienst.

00:23:38: Dann ist ja auch das Betreuungsgericht da mit drin und dann gab es eben die Überlegung, muss da eine geschlossene Unterbringung erfolgen, weil sich der Herr vielleicht selbst gefährdet.

00:23:49: Und dann gab es eben auch das Bewusstsein an allen Stellen.

00:23:53: Er ist fortgeschritten an einer Demenzerkrankung und es läuft alles nicht mehr gut und so.

00:24:01: Ja, wenn ich dann beim Betreuungsgericht gebeten habe, können wir vielleicht meine Fallkonferenz machen.

00:24:08: Weil er ist jeden Tag hier.

00:24:10: Es weiß niemand so gut über ihn Bescheid wie ich.

00:24:13: Ich kenne seine Geschwister im Ausland.

00:24:16: Ich weiß, wo er hinreist.

00:24:17: Ich weiß, wo er hin will.

00:24:19: Und er kann sich bei uns verständlich machen, was er möchte.

00:24:23: Also, wenn er hier steht und hat seinen Rasierer in der Hand, dann haben wir ihn nach drüben zum Friseur, haben wir einen Termin gemacht, damit er zum Friseur gehen kann, weil er sich irgendwie mitgeteilt hatte, aber er hat seine Sprache verloren.

00:24:35: Und

00:24:35: hat gar nicht mal geredet?

00:24:37: Ja, oder nur noch sehr wenig.

00:24:39: Aber so etwas war dann zu kompliziert, zum Beispiel zu sagen, ich möchte gern zum Friseur.

00:24:46: Aber das gibt es gar nicht.

00:24:48: Also in diesem System, das gibt es in der Kinderjugentilfe, aber bei den alten Menschen, die ja im Grunde genommen auch eine alten Wohlgefährdung erleben, wenn sie so verlassen sind.

00:24:59: Und das gibt es aber gar nicht.

00:25:00: Und es gibt natürlich auch keine Fallkonferenz.

00:25:02: Und obwohl ja die Selbstbestimmung dieser Menschen sagt, wir wollen ins Nachbarschaftshalm.

00:25:08: Da sind Leute, die sind nett zu uns, die machen uns auch mal ein Teller Suppe, wenn die wissen, wir kriegen sonst kein Abendbrot oder so.

00:25:14: Wir machen auch mal so Sondersachen irgendwie, wenn wir sehen, es ist nötig natürlich nicht, wenn das jemand selber machen kann.

00:25:20: Aber selbst dann haben wir im Grunde keine Funktion, obwohl die Selbstbestimmung der Betroffenen ja sagt, wir wollen dahin.

00:25:28: Und trotzdem haben wir nichts zu sagen.

00:25:31: Und da ist das auch für mich total scheinheilig, was da als Selbstbestimmung von Menschen mit Demenz gesagt wird, dass man ja darauf rücksicht nehmen soll, was sie, wie sie handeln, wie sie ihre Wohlgefühl äußern und wie sie ihre Ablehnung äußern und so.

00:25:46: aber in der Realität, kommt das vielleicht in super Pflegeheimen an, vielleicht bei Superpflegediensten oder bei einer Superfamilie, aber es kommt nicht bei allein stehenden Menschen an, weil wir haben gar keine Funktion.

00:26:01: Sondern ich bin eher noch die nervige, die dann immer wieder den, ich hab Freitag, Nachmittag, hab ich den Pflegedienst angerufen, hab gesagt, wieso ist der Kühlschrank leer?

00:26:12: Ja, wir sind gestern nicht zum Einkaufen gekommen und so, ich sag ja, und jetzt?

00:26:17: Ist der über das Wochenende nichts oder wie?

00:26:20: Ich meine, wir können ja schon von der Tafel dann immer auch was mitbringen.

00:26:23: Ja,

00:26:24: aber das ist ja nun nicht eure Aufgabe.

00:26:26: Und es ist ja auch nicht die Grundversorgung.

00:26:28: Also dieser Mensch hat ja einen Recht darauf.

00:26:30: Und also auch dieser Pflegedienst war zum Beispiel nicht in der Lage, Einkaufslisten zu schreiben.

00:26:35: Wir haben die Einkaufslisten geschrieben.

00:26:37: Wir haben in den Kühlschrank geguckt.

00:26:39: Ich habe da Rabatz gemacht, wenn der wieder leer war.

00:26:42: Also alle diese Rollen haben wir ja eigentlich offiziell gar nicht.

00:26:46: Also die sind halt im System auch irgendwie, kommen die nicht vor.

00:26:50: Und da entdecken wir hier natürlich eine dramatische Lücke.

00:26:55: Ja,

00:26:55: weil hier besonders viele Menschen halt sehr einsam und alleine sind.

00:26:59: Ja, wobei ich meine, in der ganzen Stadt wohnen auch alleinstehende Menschen und man guckt da nicht hinter, wer hat eine treusorgende Familie und wer sitzt da wirklich auch verlassen.

00:27:11: Und ja.

00:27:13: oder verstirbt allein in seiner Wohnung.

00:27:15: Wir haben in Hamburg eine hohe Zahl an Menschen, die lange liegen in ihren Wohnungen, wenn sie verstorben sind, weil niemand das bemerkt, weil niemand sich kümmert.

00:27:25: Ja, wieso?

00:27:26: Oder es gibt Suizide im Alter.

00:27:28: Die sind oft durch so banale Gründe, dass man wahrscheinlich was hätte machen können, wenn es denn irgendwie ein Gelbe, der sich darum kümmert.

00:27:37: Und ja.

00:27:40: Also ich finde es erschütternd, dass eine Stadt wie Hamburg da so ein Leiden, so eine Trauer irgendwo versteckt hat und es keine grundsätzlichen Ansätze gibt, da was zu tun.

00:28:00: Für dich ja wahrscheinlich auch echt ganz schwierig, weil es ist eigentlich nicht deine Aufgabe, aber du machst es zu deiner oder ihr macht es zu eurer Aufgabe.

00:28:09: Also da verschwimmen die Grenzen der Professionalität, sag ich jetzt mal, des Abstandes vielleicht auch so ein bisschen.

00:28:15: Ja, also professionelle Distanz ist dann eine Frage, wo ich mich natürlich dann frage, ja, was hätte die jetzt?

00:28:24: Was bedeutet die jetzt?

00:28:25: und wo gehe ich da drüber hin weg, weil es einfach menschliche Grausamkeit wäre, dann zu sagen, ja, ich bin jetzt mal professionell distanziert.

00:28:35: Aber das scheint dich ja schon auch sehr zu bewegen, weil es sich auch sehr aufregt und du da natürlich verständlicherweise.

00:28:45: Mit zu kämpfen hast du offensichtlich ein bisschen, oder?

00:28:48: Ja.

00:28:48: Auch

00:28:48: persönlich in deiner Meinung.

00:28:50: Auf jeden Fall.

00:28:51: Also ich hatte eine kleine Online-Fortbildung von der BGW, die sich ja um die Gesundheit am Arbeitsplatz kümmert.

00:29:00: Und da ging es darum, dass im Grunde genommen Situationen, die wir hier erleben, dass die eigentlich schon eine Seelsorge-Notfallintervention mitunter bedeuten würden.

00:29:10: Und das hatten wir hier auch.

00:29:11: Ich wusste das nur zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass die BGW Beispiel dann auch sowas tatsächlich anbietet und man sich dahin wenden kann, dass wenn wir hier plötzlich von irgendeinem schlimmen Todesfall überrascht werden mitten am Nachmittag und wir dann eigentlich gar nicht mehr arbeitsfähig sind und so erschrocken und geschockt und wir gar nicht wissen, wie überstehen wir denn jetzt diesen Nachmittag, wie gehen wir denn jetzt überhaupt wieder da rein in den Raum und Wie reagieren wir denn überhaupt, wenn wir völlig neben uns stehen zum Beispiel?

00:29:43: Also so eine Situation sind halt auch aufgetaucht und ich sage mal in so einer Arbeitsplatzbeschreibung kommen, die natürlich nicht vor oder auch in dem, was ich mir vorher hätte vorstellen können, ist das auch nicht vorgekommen.

00:29:58: Also da wird man auch irgendwie nicht darauf vorbereitet, dass das ist halt dann einfach so eine Realität, die einen dann erwischt.

00:30:07: Wie kriegt ihr das dann mit, dass Menschen so plötzlich verstorben sind?

00:30:11: Ja, also tatsächlich haben wir einen sehr guten Kontakt auch zur Davidwache und auch die zum Beispiel die Stadtteilpolizisten der Davidwache kümmern sich auch extrem um Menschen, die eben irgendwie in Not sind, die alleine sind und wo man schon weiß, oh, da ist es gefährlich.

00:30:29: oder zum Beispiel bei unserem Beispiel hier, dass eben ein Mensch auch immer wieder in ganz verschiedenen Orten von Hamburg aufgefunden wird oder sich da irgendwo an Hilfe und dann eben nicht mehr zurückfindet, nicht mehr weiß, wie kommt er nach Hause, dann wird ja auch die Polizei verständigt und dann ist es... kriegt ja auch hier der Stadtteilpolizist, der dann zuständig ist, davon auch Nachricht oder so.

00:30:55: Oder wir haben versucht, ihn aufzuspüren, wenn wir gesagt haben, er ist nicht gekommen.

00:30:59: Wo kann er sein?

00:31:00: Kannst du bitte mal suchen?

00:31:01: Ist ja irgendwo im Krankenhaus.

00:31:03: Also ich bin auch schon Samstagvormitterin irgendeine Notaufnahme gefahren, weil ich wusste, da liegt er jetzt verletzt und niemand kann aber Auskunft über diesen Mensch geben.

00:31:14: Der hat keine Krankenkasse dabei, der hat auch nicht das Heft hin dabei, was seinen rechtlichen Betreuer ausweist oder irgendwas.

00:31:21: Da kommt einfach jemand, der kann nicht reden und liegt da einfach und ist verletzt.

00:31:25: Ist das der Mann mit dem Rasierer gewesen?

00:31:28: Genau.

00:31:29: Der hat sich verletzt?

00:31:30: Ja, genau.

00:31:32: Was

00:31:32: ist dem denn passiert?

00:31:34: Naja, der ist dann immer mal gestürzt.

00:31:39: Und ist auch in einem tragischen, furchtbaren Unfall zu Tode gekommen.

00:31:45: Das waren gefährliche Ausflüge, die er da unternommen hat.

00:31:50: Wenn sich ein Mensch mit Demenz verirrt, hört man in der Presse, dass er dann nicht gefunden wird oder über Nacht draußen ist.

00:31:58: In der Kälte vielleicht gar kein Geld dabei hat, kein Getränk, kein Essen.

00:32:07: welche medizinischen Notfälle entstehen und jemand total unterversorgt ist und wirklich in Lebensgefahr sich befindet.

00:32:17: Und da, dass dann gerade er sich rechtzeitig an Hilfe wendet, vielleicht wenn es schon dunkel ist und dann jemand auch weiter hilft und die Polizei überhaupt ruft, das ist ja nicht selbstverständlich.

00:32:29: Und ja, auf solchen ... Ausflügen ist dann passieren dann auch mal solche Sachen.

00:32:36: Was

00:32:37: ist denn passiert?

00:32:38: Na ja, über den Polizist haben wir dann auch oft eben so was erfahren, dass er zum Beispiel wieder im Krankenhaus ist oder so, dass er dann gesagt hat und wir uns dann ein bisschen kümmern konnten.

00:32:48: Oder eben, dass er dann, wir auch wussten, wenn er dann vielleicht in der Kurzzeitpflege war, wo war er denn da überhaupt?

00:32:55: Und dann ist er da natürlich auch weggelaufen, weil er wollte, er wollte immer wieder hier nach St.

00:33:00: Pauli in seine Wohnung und zu uns.

00:33:02: Er war halt hier total selbstbestimmend.

00:33:05: Er konnte, er hat seine Wohnung gefunden, wenn er hier war bei uns eigentlich und er hat hierhergefunden.

00:33:10: Und er hat das hier auch für sein Zuhause gehalten.

00:33:13: Also er hat versucht mit seinem Haustürschlüssel hier das Gartentor zu öffnen und hat die Passanten gebeten, ob sie ihm immer helfen könnten, dass er jetzt doch mal aufgeschlossen würde.

00:33:21: Also er war vor mir hier schon, hat unsere Reinigungskraft auch beschimpft, wenn sie ihn nicht reingelassen hat.

00:33:27: Das darf die natürlich gar

00:33:28: nicht.

00:33:29: Aber er war dann immer total sauer.

00:33:31: Man

00:33:32: sieht aus, dass sie so böse war und ihn nicht schon Frühstück gemacht hat.

00:33:37: Ja, also ja und am Schluss hat er eben aufgrund von so einer Situation, wo er die ganze Nacht durch unterwegs war, ohne Essen, ohne Trinken wahrscheinlich und in einer verzweifelten Situation und er seine Brille war kaputt gegangen.

00:33:54: Also auch sowas.

00:33:55: Wer kümmert sich um eine kaputte Brille?

00:33:57: Das haben wir dann alles gemacht, aber das geht halt auch nicht so schnell.

00:34:01: Dann war das Glas bestellt, aber er konnte halt schlecht gucken und er hat dann eben wahrscheinlich, wir wissen es gar nicht genau, einen Fehler gemacht und ist mit einem Lkw dann an der Kreuzung tödlich verunglückt.

00:34:12: Und das ist für alle schlimm, für die, die es gesehen haben, für ihn, dass er so tatsächlich zu Tode gekommen ist, für den Lkw-Fahrer, der ja vielleicht gar nichts falsch gemacht hat.

00:34:23: Wir wissen es nicht.

00:34:26: Ja, und dann erfahren wir das und dann sind wir natürlich auch am Ende.

00:34:30: Also dann ist einfach das so furchtbar da.

00:34:34: Ja, natürlich.

00:34:35: Wie lang war der hier?

00:34:36: Wie lang kanntest du den schon?

00:34:40: Ja, der war eigentlich zwei, drei Jahre, war der regelmäßig hier, dass er dann zunehmend uns auch besucht hat.

00:34:50: Mehrfach am Tag dann auch.

00:34:52: Also der kam dann tatsächlich morgens schon, wenn ich eigentlich hier Verwaltungsarbeit mache und eigentlich noch niemand da ist, dann stand er schon am Tor und wollte rein und wollte Frühstück, dann habe ich ihn Frühstück gemacht und dann saß er da und war quasi wie so eine Kossiersch.

00:35:05: Ich bin dann ins Büro gegangen, habe gearbeitet und er saß dann da und hat gefrühstückt und irgendwann hat er so mit den Fingern auf den Tisch getrommelt und dann habe ich gemerkt, okay, jetzt wird es ihm langweilig.

00:35:17: Sprich ihm noch mal ein Kaffee.

00:35:18: Ja,

00:35:18: genau, dann habe ich noch nicht.

00:35:19: gefragt und so und naja und dann ist er auch mal wieder nach Hause, habe ich gesagt, willst du denn vielleicht mal nach Hause oder so, die ich nochmal hinlegen?

00:35:26: oder keine Ahnung, ja und dann ist er nach Hause gegangen und dann ist er später wiedergekommen, hat hier mit den Leuten gesessen, hat mit gefeiert, er mochte das auch, wenn wir hier irgendeine Feier hatten.

00:35:36: oder ist mit der Männergruppe dann Frühstücken gewesen oder Mittagessen oder irgendwas.

00:35:40: Also da haben wir ihn natürlich dann auch in die Gruppen gesteckt und die waren dann auch nett zu ihm, dass sie ihn dann mitgenommen haben, auch wenn er jetzt sich eben an Gesprächen nicht mehr beteiligen konnte.

00:35:50: Aber er hat sich halt wohlgefühlt dann so.

00:35:53: Und ja, und dann kam er nachmittags wieder und dann ging er nach Hause und oft bin ich dann halt später nochmal hingegangen, habe geguckt, hat er was zu essen zum Abendessen oder muss eine Waschmaschine angestellt werden.

00:36:06: oder ist da läuft da irgendwas ganz aus dem Ruder und dann hat er halt auch im Grunde genommen bis zum Schluss irgendwie gelebt und es ist natürlich ungeklärt, ob es jetzt richtig gewesen wäre, ihn komplett einzusperren.

00:36:20: mit so einem großen Freiheitsdrang.

00:36:22: Und das ist natürlich auch für eine Richterin, die das dann entscheiden muss, eine furchtbare Situation sowas einzuschätzen.

00:36:30: Wie wird er sich in Zukunft verhalten und müssen wir ihn jetzt wirklich einsperren, wenn er selber auch immer wieder äußert, ich möchte in meiner Wohnung, er möchte zu Hause sein.

00:36:40: Das hat er auch gegenüber diesem psychiatrischen Gutachter gesagt.

00:36:45: Er will zu Hause sein und er will hier sein.

00:36:49: Ganz schwierig, ne?

00:36:51: Ganz schwierig.

00:36:51: Aber wenn du dann hier im Prinzip nach einem Tag hier nach deinem Dienst gehst, du dann in deiner Freizeit sozusagen ehrenamtlich noch zu leuten und besuchst die?

00:37:00: Ja, also im Grunde genommen ist das nicht so genau geklärt, was ist hier?

00:37:06: Also im Grunde genommen schon.

00:37:08: Eigentlich ja.

00:37:09: Eigentlich ist die Antwort ja.

00:37:10: Ja.

00:37:11: Ja, Wahnsinn.

00:37:12: Dann bist du ja im Prinzip ständig unterwegs.

00:37:15: Dieses Sitzkissen, ne?

00:37:16: Ich rutsch hier auf euren.

00:37:17: Du kannst es ja weg

00:37:18: tun.

00:37:19: Nee, jetzt geht es wieder weg.

00:37:21: Es hat sich etwas verrutscht.

00:37:25: Ja, also viel, viel im Einsatz und auch viel ehrenamtlich.

00:37:29: Wie ist das?

00:37:30: Hast du irgendwie für dich so ein Mechanismus entwickelt, wie du das ertragen kannst?

00:37:36: Weil ich meine, das ist ja schon wirklich diese Geschichte sehr ... Tief traurig einfach auch.

00:37:40: Ja, genau.

00:37:45: Im Grunde genommen habe ich da natürlich kein Rezept.

00:37:49: Also was uns hier rettet, ist, dass wir im Team eine sehr gute Stimmung haben und dass wir uns auch hier sehr gut... gegenseitig irgendwie dabei stehen.

00:37:59: Also wir arbeiten hier auch in dem Bewusstsein, dass es zwar von außen so aussieht, als würden wir hier nur ein bisschen Kaffee trinken und mit den Leuten spielen und dass es das aber nicht ist.

00:38:10: und wir wissen es und ich versuche das natürlich auch deutlich zu machen, wenn ich egal mit wem ich eigentlich spreche, ob ich das jetzt gegenüber der Behörde oder unserem Vorstand oder in anderen Gremien, in der Integrationskonferenz oder wo auch immer irgendwie zur Sprache und das eben auch hier gegenüber intern mit dem kleinen Kreis, wir sind ja nur wenige.

00:38:38: dass das im Grunde genommen im Bewusstsein ist und dass es eben auch wir uns zu fast allen Situationen halt besprechen.

00:38:46: Und wir haben jetzt nicht so eine Superstruktur mit Pausen, mit Besprechungen oder sowas, weil es eigentlich jeden Tag irgendwas zu besprechen.

00:38:54: Ich kann nicht jeden Tag eine Stunde blocken, um irgendwie alles zu besprechen.

00:38:57: Aber wir haben natürlich jeden Tag Küchen oder Träsen oder Bürogespräche, weil eben mit entweder mit jemandem, was privat ist oder eben auch was mit den Besucherinnen ist oder wir was erfahren, wer ist wo im Krankenhaus, wer mit wem gibt es schwierige Entscheidungen zu treffen oder so.

00:39:17: Und ja, dann tauschen wir uns ganz viel aus.

00:39:20: Und das ist eigentlich so.

00:39:22: dieses Gefühl, dass wir hier alle gerne herkommen.

00:39:25: Und das auch mit den Praktikanten erleben, die jetzt ein bisschen länger bei uns sind, das ist eigentlich so das Tragende hier.

00:39:35: Und dass wir auch da eine Kultur haben, eben, wenn irgendwas nicht gut läuft, nicht zu versuchen, das jetzt mit schnellen, kurzen Lösungen oder irgendwas zu... Platz zu hauen und sondern eben in den Bewusstsein zu sein.

00:39:55: Es gibt hier schwierige Situationen und jeder hat das recht sofort alles liegen und stehen zu lassen.

00:39:59: So sagen, okay, stopp mal kurz.

00:40:01: Ich muss mal kurz in die Küche oder auf Toilette oder ins Büro sich aus der Situation rauszuziehen, einmal durch zu atmen, versuchen zu sprechen und dann gemeinsam zu überlegen, wie gehen wir jetzt wieder mit der Situation um.

00:40:12: Und das ist eigentlich was.

00:40:17: super wichtig hier.

00:40:18: Was für Situationen meinst du damit?

00:40:20: Ja, also wenn es hier zum Beispiel im Raum eine Eskalation gibt oder wenn irgendeine Praktikantin komisch angesprochen wird oder wenn sie rassistisch so an der Grenze irgendwie einfach angefasst wird oder so.

00:40:36: Das sind ja junge Frauen auch oder Männer, die hier arbeiten oder die teilweise auch mit Situationen konfrontiert werden, die sie so nicht kennen aus ihrem Leben und die sie dann hier zum ersten Mal erleben und dann irgendwie damit umgehen müssen.

00:40:50: Oder das immer versucht wird, so eine Unzufriedenheit bei denen abzuladen.

00:40:53: Also so, ich krieg wieder das dürfte oder das letzte oder so.

00:40:57: Also immer dieser Vorwurf, wir machen es ja auch nie.

00:41:00: gut genug und das landet eben dann auch öfter mal gerne bei Praktikantin so ein bisschen das auch auszuspielen und so oder irgendwie so.

00:41:09: Also hier sind nicht alle liebt.

00:41:10: Nein, also ich sage mal Armut, Krankheit, Alter macht nicht automatisch lieb.

00:41:17: Nee, das macht wahrscheinlich auch ganz verzweifelt und

00:41:20: genau.

00:41:21: Das wissen wir ja, dass es dann gerne so Ersatzorte geben soll, wo man das auch mal abladen kann oder so.

00:41:29: Und das sind wir dann eben auch, wenn es keine Familie gibt.

00:41:33: Seid ihr für viele der einzige soziale Kontakte, den Sie überhaupt noch haben?

00:41:38: Also für einige, ja, nicht für alle.

00:41:43: gibt auch ja eben welche, die sich dann privat treffen, telefonieren oder irgendwas auch was kleines unternehmen oder so.

00:41:51: Ich sage mal so jetzt die großen Würfe, dass hier noch Menschen sind, die verreisen könnten oder die sich irgendwelche Reisen überhaupt leisten könnten, wo man vielleicht auch in der Gruppe verreist.

00:42:01: Das gibt es ja eigentlich gar nicht mehr.

00:42:04: Es gibt vielleicht noch ein Ehepaar, das in der Lage ist, zusammen zu reisen und irgendwie dann mal kleinere Touren mal nach Berlin oder irgendwie kleinere Sachen zu unternehmen.

00:42:16: Aber das ist die absolute Ausnahme.

00:42:18: Und schon unser einer Ausflug im Jahr irgendwo mal raus aus der Stadt.

00:42:23: Wir waren jetzt an der Ostsee oder so.

00:42:26: Das ist dann für viele tatsächlich auch die einzige Gelegenheit, weil das irgendwie schwierig ist, so was alleine zu organisieren.

00:42:34: dann eben oder auch den Mut überhaupt noch zu haben.

00:42:37: Wenn man eben auf so vielfältige Weise ausgeschlossen ist von Teilhabe, dann überhaupt den Mut zu fassen, sich irgendwo wegzufahren, rauszugehen, sich was Gutes zu tun.

00:42:50: Ist dann

00:42:51: der Jahresurlaub ein Tag Ostsee?

00:42:53: Ja.

00:42:55: Ja, aber wenigstens überhaupt.

00:42:57: Ja, das ist total wichtig.

00:42:59: Und ich weiß, meine Vorgängerin hat also mehrere Ausflüge pro Jahr geschafft.

00:43:06: Kriegt das jetzt finanziell von unserer Zuwendung und auch von dem Arbeitsaufwand, den so einen Ausflug bedeutet, kriege ich das auch nur einmal im Jahr hin, tatsächlich, weil man muss ja einen Ausflugsort haben, der bei Sonne bei Regen funktioniert, mit Rollator, ohne Rollator, wenn man jetzt vielleicht auch gerne mal ein bisschen weiter spazieren würde oder die, die eigentlich kaum noch spazieren können oder die schon eine Strecke von einem Kilometer für sich nicht mehr überwindbar halten oder so.

00:43:34: Also es ist nicht so leicht, gute Orte überhaupt zu finden.

00:43:38: Und dann auch Leute, die das begleiten, in

00:43:41: einem Reisebus das zu erreichen, weil ohne Bus kommen wir sowieso nirgendwo hin und dann ist das eben auch so in so einem Radius von einer Stunde Anreise ein bisschen drüber vielleicht.

00:43:51: So, also das ist schon immer nicht so lang.

00:43:54: Du hast Kreativität gefahren.

00:43:56: Wie viele Leute seid ihr überhaupt, die hier arbeiten?

00:43:59: Weil du hast von dir und deiner Kollegin gesprochen.

00:44:01: Das hört sich irgendwie hauptamtlich an.

00:44:03: Ja, genau.

00:44:04: Also ich habe eine Vollzeitstelle und meine Kollegin hat eine Teilzeitstelle auf zwei und dreißig Stunden.

00:44:11: Und dann haben wir noch einen Mini-Jobberin, die hier den Alphabetisierungs-Grundbildungs-Deutschkurs macht.

00:44:20: Und dann haben wir noch eine Honorarkraft, der quasi nur kommt, wenn hier die Männergruppe sich trifft.

00:44:27: Und dann haben wir Ehrenamtliche.

00:44:31: Also es gibt nicht viele Schultern, auf die sich die Arbeit verteilt.

00:44:34: Wie viele

00:44:35: Ehrenamtliche habt ihr?

00:44:36: Ja, also was ich ... Bei der BGW muss ich das ja mal angeben, es sind dann zwölf, also da zählen dann die mit, die dann auch mal vielleicht beim Spülen helfen oder eben im Garten helfen oder eben auch die tatsächlich hier einen Kurs leiten in Form PC-Gruppe zum Beispiel, also den PC-Kurs.

00:44:59: Den Vorstand habe ich mitgezählt, also wenn der sich hier wehtut, wenn er eine Vorstandssitzung macht oder so, dass der auch da mit drin ist, weil das sind ja auch ehrenamtliche, die zum Verein gehören.

00:45:10: Ja, also so über den Daumen zwölf Menschen, die mehr oder weniger häufig oft sich beteiligen.

00:45:20: Ja, und

00:45:22: das ist... Aber es ist nicht viel,

00:45:23: ne?

00:45:24: Nein.

00:45:25: Das ist zu wenig.

00:45:26: Also um alles zu machen, ist es zu wenig.

00:45:29: Und vor allen Dingen, wenn man überlegt, ich komme nochmal auf die Menschen mit Demenz zurück, die ja eigentlich einen Anspruch darauf haben über das Fliegestärkungsgesetz, dass sie auch betreut werden, sozial betreut werden, dass sie auch gefordert, gefördert werden, damit ihre Fähigkeiten so lange wie möglich erhalten werden, das können wir hier natürlich alles gar nicht leisten.

00:45:48: Das findet dann aber zu Hause auch nicht mehr statt.

00:45:51: Also, dass es dann zum Beispiel diese Querverbindung gebe, dass wir hier über dieses Pflegegesetz vielleicht so eine Betreuungskraft einstellen könnten oder jemand, der das kann und hier dann vielleicht diejenigen, die so eine Förderung denen, die sehr gut tun würde und die, die zu Hause auch nicht bekommen.

00:46:11: Das geht halt nicht.

00:46:12: Also das können wir nicht.

00:46:13: Und das würde ich mir sehr wünschen natürlich, dass wir da so ein Querschnittthema definieren können und mit diesem Querschnittthema dann noch mehr Unterstützung da zu unserem Team bekommen könnten.

00:46:29: Ist das denn das Hauptproblem, dass die Senioren hier auf St.

00:46:32: Pauli haben, die hierher kommen, Demenz?

00:46:34: Oder was sind das für Erkrankungen sonst?

00:46:37: Ja, natürlich alle möglichen Erkrankungen.

00:46:40: Viele haben Diabetes, viele haben psychiatrische Erkrankungen, die mitunter gar nicht diagnostiziert oder behandelt werden und die dann natürlich auch zu Krisen führen, die sich dann eben auch äußern können.

00:46:53: Wir haben ja auch öfter mal Notfall, wo wir dann entscheiden müssen, wie gehen wir jetzt mit Notfällen um.

00:47:01: Brauchen wir da eine stationäre Aufnahme oder so, also, dass wir solche Eskalationskrisen, gesundheitliche Krisen erleben bei einigen oder dass hier sogar jemand stürzt und dann sagt, nein, nicht Arzt rufen, nicht Arzt rufen und wir sehen aber doch, es muss jetzt unbedingt jemand gerufen werden, so, ne.

00:47:21: Ja, also ... Krebserkrankungen und dann eben die nachlassende Mobilität, dass wir eben dann nach Stürzen oder so erleben, die Menschen brauchen Rollator, dass Schlaganfälle passieren, Herzinfarkte natürlich, die ganze

00:47:38: Bandbreite

00:47:39: natürlich.

00:47:39: und dann erleben wir natürlich, wenn so ein Ereignis war, dass danach eine Verschlechterung eintritt und dass dann eben auch noch mehr Einschränkungen einfach passieren.

00:47:50: Leben hier auf dem Kiez, denn so viele ... ... sixty-plus Menschen, sag ich mal.

00:47:55: Weil für die meisten ist natürlich Kiez das große, pure Vergnügungsviertel.

00:47:59: Die vergessen ja auch, dass hier überhaupt Menschen leben, was man an manchem Verhalten so sehen kann, wie man sich hier ... ... hier kann man total eskalieren.

00:48:08: Aber das hier dann auch noch ... Seniorenleben, das ist, glaub ich, den Wenigsten.

00:48:12: Und bewusst, ob man sieht, sie ja auch jetzt so im Straßenbild nicht unbedingt.

00:48:17: Gibt es hier

00:48:17: denn viele?

00:48:18: Vor allen Dingen nicht mehr abends.

00:48:19: Also, hier geht ja niemand abends mehr auf die Straße, weil man ja nicht sicher sein kann, mit heiler Haut nach Hause zu kommen.

00:48:26: Also, da ist wirklich auch, wir merken das jetzt auch zu Winterzeit, viele brechen früher auf als im Sommer wegen der Dunkelheit, dann eben auch.

00:48:34: Haben

00:48:34: die Angst?

00:48:35: Ja.

00:48:36: Und es ist natürlich auch dieses Gefühle, wenn hier es hier passieren, ja auch manchmal schon morgens irgendwie schreie rein, Prügelein auf der Straße oder sowas.

00:48:47: Also das kann einem auch vormittags ereilen oder eben, dass eben Menschen hier unterdrogen oder Alkohleinfluss unterwegs sind und man nie so genau sicher sein kann, was machen die als nächstes?

00:49:02: Ja, und dann ist natürlich hier auch diese, diese Ecke vom Kiez nicht besonders barrierefrei.

00:49:07: Also hier gibt es einfach eine schlechte Info.

00:49:09: Infrastruktur und das... Ja, das verhilft nicht dazu, dass sich jemand hier sicher fühlt.

00:49:16: Also die sind im Grunde genommen für die Partyleute unsichtbar.

00:49:20: Und es sind aber hier noch einige unrenovierte alte Häuser, die eben auch noch den alten Mieterbestand haben, die halt hier lange leben und jetzt irgendwo anders eine barrierefreie Wohnung zu finden auf dem Kiez unmöglich und bezahlbar.

00:49:35: Außerhalb, ja, dann sind alle Freunde auch gleich mit weg und das vertraute Umfeld.

00:49:40: Also und man findet diese.

00:49:42: auch einfach nicht.

00:49:43: Also selbst hier ein Ehepaar mit E-Rolli, die hier gerade noch so die Rampe runterfahren können und wenden können.

00:49:51: Das ist hier gerade alles so, dass das noch geht mit einem E-Rolli.

00:49:56: Die suchen seit langem eine barrierefreie Wohnung mit Aufzug eben, wo das gut läuft und die finden nichts.

00:50:06: Und ein Ehepaar hat...

00:50:08: Aber die wollen hier auch nicht weg, ne?

00:50:10: Ja, also so Kreis-Altona, ja, die würden natürlich... Das ist das, ja.

00:50:15: Also weil wir erleben ja auch diejenigen, die dann plötzlich in Pflegeheim kommen, in der Nähe vom Hagenbextierpark oder in Will steht, wir sehen die nicht mehr.

00:50:25: Und wir schaffen das auch nicht mehr, dann hinterher zu fahren.

00:50:27: Und keiner dieser Besucher hier ist mobil und fit genug, um zu sagen, ja klar besuche ich die weiter.

00:50:33: Und dann, das ist so brutal, weil es gibt ja hier auch selbst, ich glaube, bei dieser Neubau von den Essohäusern oder Ex-Essohäusern, ob das mitgedacht worden ist, dass es hier pflegebedürftige Menschen gibt, wo da eine Riesenchance ist, eine Riesenbaulücke, wo man sowas mitdenken könnte, dass eben wenigstens die Menschen, die hier leben, da einen Pflegeheimplatz bekommen können und auch einen Vorrecht haben, darauf.

00:50:58: oder ob Sie das im Zirkusweg in diesem Service wohnen, dass die St.

00:51:02: Paulianerinnen da ein Vorrecht hätten, da reinzukommen, wenn eine Wohnung frei ist oder so.

00:51:07: Da

00:51:07: ist ja ein großes Haus.

00:51:10: Da ist ein großes Haus.

00:51:11: Aber da kann man sich aus ganz Hamburg hinbewerben.

00:51:14: Und das ist natürlich eine tolle Lage auch für andere Stadtteile attraktiv.

00:51:18: Also diese tatsächlich die Bedürfnisse und Bedarfe so im Blick zu behalten.

00:51:25: Das ist leider nicht der Fall.

00:51:27: St.

00:51:28: Pauli ist ja auch noch mal ein spezielles Viertel.

00:51:30: Einmal St.

00:51:31: Pauliana, immer St.

00:51:32: Pauliana, ne?

00:51:33: Naja, ich mein jeder, der vierzig, fünfzig Jahre in einem Stadtteil verbracht hat und ja auch irgendwie gute Gründe hatte, hier zu wohnen.

00:51:42: Entweder weil dann eben die Arbeit in der Nähe war und weil man dann eben auch hier alle Freunde und Umfeld hatte und man sich untereinander auch eben kennt und verstanden hat.

00:51:55: Das würde ja in anderen Stadtteilen nicht anders sein, dass man dann möglichst in der Nähe wieder jemanden hat.

00:52:01: Ja, klar.

00:52:02: Ja.

00:52:02: Wie empfindest du den Kiez jetzt?

00:52:06: Du lebst ja selber nicht hier, ne?

00:52:08: Nee, ich fahre in anderen Stadtteilen.

00:52:12: Ich finde ihn schon sehr hart.

00:52:15: Also ... Ich bleibe ja dann auch nicht zum Feiern, also ich fahre dann auch tatsächlich relativ schnell wieder weg.

00:52:24: Und so diese ganze Lebenssituation, mein Bild, ist jetzt natürlich geprägt durch diese Einrichtung und die Erfahrungen, die wir hier machen.

00:52:33: Und ich finde es ein hartes Leben.

00:52:37: Was findest du so hart

00:52:38: hier?

00:52:38: Auch hartes Alter.

00:52:40: Ja eben, dass hier vielleicht, sage ich mal, die Menschen, die hier wohnen, eben eher ... nicht die Superfamilien-Konstellationen im Hintergrund haben.

00:52:52: Und dass es dann gerade eigentlich ja mehr soziale Unterstützung geben müsste.

00:52:58: Und ja, selbst wir hier knapsen mit unserer Zeit, mit unseren Stellen, also selbst so ein Ort ist ja nicht so ausgestattet, dass wir wirklich die Aufgaben alle erfüllen könnten, die sich uns so darstellen, die dann einfach da sind.

00:53:16: Naja, und dann eben darüber hinaus, dass eben mit der Pflege, mit dem Servicewohnen, mit Wohnungen, dass sie hier bleiben könnten oder so, dass das alles nicht möglich ist, sondern dass alle hier so lange kämpfen, wie es nur geht, um hier zu bleiben, bis es gar nicht mehr anders geht.

00:53:33: Also das finde ich ist eine harte Situation.

00:53:37: Oder dass tatsächlich in einem Haus von der Saga zwei Wochen ein Fahrstuhl nicht läuft.

00:53:44: Und dann sitzt eben eine Dame mit Rollator im siebten Stock fest.

00:53:48: Und da wird nicht vorher gefragt, hat sie denn jetzt den Kühlschrank voll, bevor der Dauchzug ausfällt oder so.

00:53:54: Ja.

00:53:56: Aber hast du hier irgendwie das Gefühl, dass es auch Unterstützung gibt?

00:54:00: Weil wir ganz oft auch hören von den Kizianern, ja, man hält hier zusammen, man unterstützt sich gegenseitig oder hört das im Alltag tatsächlich auch.

00:54:08: Sind die so ein bisschen die Vergessenen?

00:54:13: Da gibt es wahrscheinlich verschiedene Seiten, einerseits, sie sich ja so lange, wie sie sage ich mal, selbstständig aus der Wohnung raus, wieder rein, noch irgendwie zur Bank und zu Penny oder Edika oder Aldi kommen oder so, so lange oder zum Haus, als so lange das geht, dass sie dann auch Netz haben.

00:54:34: Aber wenn eben das nicht mehr der Fall ist oder wenn das schwieriger wird, dann glaube ich wird auch das Leben schwieriger.

00:54:43: Und Ja, wir haben hier sogar auch eine sehr dramatische Erfahrung gemacht mit Menschen oder auch mit Pflegediensten, die sich nicht, sag ich mal, so an die Richtlinien halten oder eben auch mit Scheinbetreuungen, das eben auch es Menschen gibt, die ... sich das Vertrauen von etwas wohlhabenderen Menschen erschleichen und dann eben darüber versuchen an deren Vermögen zu kommen und dass eben dieses Alleinleben doch auch so eine Öffnungsforte ist für verschiedene Probleme, die für die Betroffenen dann auch eben sehr schwierig sich entwickeln.

00:55:32: Okay.

00:55:34: Das wäre jetzt noch ein ganz anderes Thema.

00:55:35: Das müssen wir auch nicht vertielen.

00:55:38: Aber wie ist das für euch hier?

00:55:40: Bekommt ihr?

00:55:41: Weil ich weiß,

00:55:42: Mirha

00:55:43: Thomas, der Kitzbeckermann erzählt, dass er euch irgendwie beliefert und euch öfter mal was bringt.

00:55:48: Ich weiß nicht, ob das noch so ist.

00:55:49: Das war aber vor Jahren, als ich mit ihm...

00:55:51: Genau, das macht er immer noch.

00:55:53: Also, dass er uns auch... Brötchen oder Gebäck rüberbringt oder wir ja eben auch von der Tafel ganz doll unterstützt werden und wir hier beliefert werden mit Tafel, Lebensmitteln und so Drogerieartikeln oder sowas und dass wir das hier verteilen können.

00:56:11: Das erleben wir schon sehr gut auch für unsere Einrichtung, weil damit unter auch Dinge sind, die wir dann hier ausgeben können, aber nicht unbedingt verbrauchen müssen, also zum Beispiel, weil unsere Zuwendung steigt nicht im Verhältnis zur Inflation oder dann, dass wir hier zum Beispiel ein schönes Teeangebot haben, Teebeutelangebot für die Besucherinnen und wir dann eben von der Tafel auch Tee bekommen, zum Beispiel.

00:56:38: Ja, und auch das Budget der Besucherinnen eben durch diese Verteilung geschont wird und sie nicht in irgendeiner im kalten Wetter in der Schlange bei uns stehen müssen, sondern eben gemütlich am Tisch sitzen und sich unterhalten und spielen und dabei verteilen wir eben die Tafel.

00:56:59: Also ihr geht dann rum mit den Lebensmitteln

00:57:01: und

00:57:02: dann kann man sich was aussuchen oder ihr stellt das einfach hin oder?

00:57:05: Naja, wenn wir stellen das nicht hin, die können sich das aussuchen.

00:57:08: oder wenn wir jetzt so viel haben, was weiß ich, dreißig Stück von dem Gleichen, dann kann es halt jeder haben.

00:57:15: und man kann aber auch sagen, nee, danke, mein Kühlschrank ist noch voll, das passiert dir auch.

00:57:20: Genau, aber so, das sind halt so die Möglichkeiten, die wir hier erfahren oder dass wir jetzt tatsächlich auch Spenden von Stiftungen bekommen oder die sich für unsere Arbeit interessieren, dass sie sich da engagieren auch oder...

00:57:41: Jetzt aber nicht aus dem Stadtteil.

00:57:43: Nee,

00:57:44: also das war eine Kurverwaltung hier aus dem Stadtteil und der Verein löste sich ja aber leider gerade auf.

00:57:51: Das war die aus dem Stadtteil dann.

00:57:54: Aber

00:57:54: hier so Nachbarn oder so?

00:57:56: Ich meine, ihr habt ja hier viel ringsrum.

00:57:58: Also ihr seid ja nun mithänd drin.

00:58:02: Nö, nicht so.

00:58:03: Also was wir, eine Ehrenamtliche ist quasi dann mal reingekommen und hat gesagt, ich laufe hier immer vorbei und sehe ihr spielt hier und hier sitzen Leute und hat sich als Ehrenamtliche gemeldet.

00:58:18: Das ist immer toll, wenn hier auch jüngere Menschen zu Besuch kommen und andere Menschen, weil sonst sind wir ja immer dieselben zwei Nasen und das so ein bisschen Abwechslung kommt oder eben auch mit den Praktikanten, jüngere Menschen, wenn man keine Enkel, keine Kinder hat, sind das ja auch mit unter die einzigen Kontakten dann zu dieser Generation.

00:58:35: Das ist ein großer Gewinn.

00:58:38: Aber dass wir jetzt hier so aus irgendwie vom Kiez groß irgendwie unterstützt würden, das erleben wir nicht so.

00:58:45: Nee, das wundert mich aber.

00:58:48: Vielleicht macht ihr nicht laut genug auf euch aufmerksam, weil eigentlich ist das ja ein sehr soziales Volk hier.

00:58:55: Und hier sind ja wirklich auch viele Geschäftstreibende, wenn ich sehe, hier schräg gegen über Dominik mit seinem Silbersack hier und so.

00:59:02: Das ist ja auch jemand, der wirklich auch engagiert ist und muss mal mal die Werbetrommel für euch rühren.

00:59:10: Wie ist das jetzt?

00:59:12: Mit

00:59:12: Weihnachten, Weihnachten steht vor der Tür und das ist ja wahrscheinlich für viele eurer Schützlinge hier in der harte Zeit, ne?

00:59:21: Mit Einsamkeit und...

00:59:23: Ja, also eigentlich müssten wir Weihnachten öffnen und wir schaffen das aber nicht, also weil wir hier alleine den... quasi das Tagesgeschäft offen zu halten, das machen wir nur mal zur Not, wenn eben einer plötzlich erkrankt ist oder wir dann eben von heute auf morgen vor die Situation gestellt werden.

00:59:48: Aber geplant nehmen wir Urlaub eher parallel oder nehmen wir parallel einfach, weil man das alleine nicht schafft und weil man eben das zu zweit machen muss und wir haben sonst Mühe, überhaupt Urlaub nehmen zu können.

01:00:05: Und dann schließen wir halt mit einem schlechten Gefühl.

01:00:09: An Weihnachten habt ihr zu.

01:00:10: Ja,

01:00:11: genau.

01:00:12: Jedes Jahr

01:00:13: ist es so.

01:00:13: Ja, jedes Jahr.

01:00:14: Und auch im Sommer eben eine längere Pause von drei Wochen.

01:00:20: Und das ist halt problematisch, weil wir wissen, dass viele dann allein sind und auch nicht wissen, wohin und da tatsächlich eine große Lücke ist.

01:00:30: Und wir haben leider keine Idee, wie wir das ändern können.

01:00:35: Und wir haben auch nicht eben, wir haben für uns ja auch keine Vertretung.

01:00:38: Also wenn Güle krank ist, dann habe ich niemanden, der ihre Arbeit ersetzt.

01:00:44: Und wenn ich krank bin, bin ich quasi im Homeoffice, weil die Verwaltung macht auch dann niemand weiter, Planung, Organisation oder so.

01:00:54: Das ist halt leider sehr auf Kante genäht.

01:00:57: und dann ... Ja, sind wir auch durch.

01:01:02: Wir brauchen dann eben auch eine Pause.

01:01:04: Zum Jahresende.

01:01:05: Ja, müsst ihr diese Pause machen?

01:01:08: Ja, genau.

01:01:08: War natürlich auch schwierig, ne?

01:01:10: Ja, ist sehr

01:01:11: schwierig.

01:01:11: Dann

01:01:11: Weihnachten, wenn man hier weiß... Die Leute sitzen jetzt alleine in ihren Wohnungen.

01:01:18: Genau.

01:01:18: Und auch die Dauer ist immer ein Problem, dass wir natürlich auch einen Bedürfnis haben, nicht immer nur verlängerte Wochenenden oder sowas zu machen, sondern auch wirklich mal einen Urlaub zu machen oder auch mal wegfahren wollen.

01:01:32: Und dann geht das eben nicht anders.

01:01:36: Ja, wie gesagt, also wenn jetzt Gülay zum Beispiel krank war und ich musste das hier alleine machen, also das hält man ein paar Tage durch, aber dann ist einfach auch die Kraft so erschöpft, das schafft man nicht.

01:01:50: Dafür ist es dann auch zu viel, was getan werden muss, was man bedenken muss und auch zu anstrengend.

01:01:57: Also das kann man sich ja vorstellen, wenn man jetzt jeden Tag irgendwie dreißig Gäste hätte, was das dann bedeutet, wenn man das irgendwie alleine schmeißen will.

01:02:06: Und wir haben halt nicht immer durchgehend Praktikantinnen.

01:02:09: Wir haben sie dann und dann ist es gut und dann unterstützen die auch ganz toll.

01:02:13: Aber das ist halt nicht so wie verlässlich und durchgehend wie jetzt Angestellte.

01:02:19: Personen ist ja klar.

01:02:20: Ja,

01:02:21: natürlich.

01:02:22: Kannst du denn dann überhaupt schönen Weihnachten feiern und das ganz wegschieben und einfach bei der Familie sein?

01:02:31: Ja, das kommt eben drauf an, ob wir dann gerade noch so ein Notfall im Hintergrund haben.

01:02:35: Also wenn wir zum Beispiel damals, als wir wussten, diese Dame, die wird das nicht überleben, dann hatten wir das natürlich nicht.

01:02:43: Da sind wir aber, das war zufällig ein Jahr, wo wir ... beide nicht verreist sind und wo auch keine Reise geplant war und wo dann eben auch noch Praktikantinnen und und Honorarkraft mit eingesprungen sind und wir uns diese vierzehn Tage so aufgeteilt hatten.

01:03:03: Ja und und sonst ist es schwierig.

01:03:05: Es ist schwierig.

01:03:07: Also aber andererseits brauchen wir natürlich auch diesen dieser Auszeit um mal abschalten zu können und wie gut das dann gelingt ist natürlich

01:03:19: ich sehe an deinem gesichts ausdruck das ist dir häufiger mal nicht so gut gelingt ja

01:03:26: perfekt ist das nicht.

01:03:27: aber ich meine ja was sollen wir tun?

01:03:30: also wir können natürlich auch nur mit der kraft hier reingehen die wir haben und wir müssen ja auch uns mit anderen sachen wieder auffüllen oder so, um wiederzukommen und auch gerne wiederherzukommen.

01:03:47: Ja, klar.

01:03:47: Und wann seid ihr dann wieder am Start?

01:03:51: Zum Jahresende oder?

01:03:52: Nee, wir machen es zwei Wochen zu.

01:03:54: Im nächsten Jahr dann.

01:03:55: Im nächsten Jahr dann.

01:03:56: Und dann sind wir wieder da, genau.

01:03:59: Dann habt ihr wieder das volle Leben hier.

01:04:04: Das volle Leben.

01:04:06: Ich hab eigentlich noch ... viel mehr Fragen an dich gehabt, weil wir haben jetzt gar nicht über dich

01:04:10: als

01:04:11: Person gesprochen, aber das schaffen wir jetzt auch gar nicht, weil wir haben ganz, ganz viel Zeit schon hier.

01:04:18: Ja, ich sehe, wir sind schon über eine Stunde, aber ich würde gerne einmal ganz kurz noch zu dir, also... Du hast ja schon gesagt, dass du seit viereinhalb Jahren

01:04:28: hier bist?

01:04:28: Ja, genau.

01:04:29: Und deine

01:04:29: Vorgängerin war dreißig Jahre hier.

01:04:32: Ja, genau.

01:04:32: Wahnsinn.

01:04:33: Das wirst du auf jeden Fall nicht mehr schaffen, glaube ich, dreizig Jahre, ne?

01:04:37: Was ist dein Ziel?

01:04:38: Ja, ich bin jetzt zweiundsechzig.

01:04:41: Also mein Ziel ist, gesund zu bleiben, bis zur Rente und das weiterzuführen.

01:04:48: Genau.

01:04:49: Bist du dann?

01:04:51: Ja,

01:04:52: genau, also das wäre mein Ziel.

01:04:54: Das wäre dein Ziel.

01:04:56: Und was ist dir das Wichtigste, was du hier auf dem Kiez in dieser Einrichtung bewirken willst?

01:05:05: Ja, das Wichtigste ist, dass wir ja... Das Gefühl haben, wir machen eine sinnvolle Arbeit.

01:05:13: Und das ist wichtig, was wir tun.

01:05:15: Es ist sehr wichtig, dass es solche Orte gibt.

01:05:19: Es wäre schön, es gäbe noch mehr von diesen Orten.

01:05:23: Und ja, vielleicht auch, dass wir ja mit neuen Ideen noch mehr Vernetzung erreichen können, dass wir noch irgendwie besser zusammenarbeiten mit Gesundheitsinstitutionen.

01:05:38: oder so.

01:05:40: Und dass das Thema einfach nochmal mehr auch ins Bewusstsein kommt, die wir hier erleben.

01:05:46: Also das Thema haben wir auch noch nicht angesprochen.

01:05:49: Ja, Menschen, die desorganisiert wurden, auf dem Kiez öfters anzutreffen sind.

01:05:55: Desorganisiert.

01:05:56: Ja, also die unter einem Messi-Syndrom leiden.

01:06:00: und die ja dann auch mit verschiedenen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

01:06:05: Und ja, dass es einige Lücken im Hilfesystem gibt, die dann hier auch auffallen und die wir dann tatsächlich real und im wahren Leben haben und dass wir da eben weiterhelfen können.

01:06:21: Wir haben ja hier auch eine soziale Beratung und wir erleben da eben auch, dass es länger dauert, dass Menschen hier erst mal anderthalb zwei Jahre Kaffee trinken kommen, bevor sie sich mit Problemen an uns wenden und sie dann erst mal geprüft haben, sind wir auch wirklich verschwiegen und sind wir geeignet, um sie zu beraten und dass wir dann eben auch gemeinsam Schritte in die Wege leiten können, zum Beispiel gemeinsam eine rechtliche Betreuung anzuregen oder Ja, böse Briefe aufmachen, gemeinsam aufmachen, die vielleicht schon länger gesammelt wurden.

01:06:56: Oh

01:06:57: ja, dann kommt man hier mit dem Schuhkarton an.

01:06:59: So ist es, genau.

01:07:00: Oder dass wir mal Unterlagen organisieren, sortieren.

01:07:04: Zum Beispiel, das ist auch toll, wenn Praktikanten sich da engagieren, dass man eben mal so eine Schublade oder so ein Schuhkarton mal wieder in die... richtigen Themen sortiert.

01:07:14: Wir haben hier auch viele Menschen, die nicht lesen und schreiben können und die niemals in der Lage wären, Brief selber zu schreiben.

01:07:20: Und ja, da können wir natürlich helfen.

01:07:23: Sind das dann Menschen mit Migrationshintergrund oder auch?

01:07:26: Beide.

01:07:27: Auch beide?

01:07:28: Ja.

01:07:29: Auch hier Menschen,

01:07:30: die... Genau.

01:07:31: Genau.

01:07:31: Nur dass sich die, die in Deutschland aufgewachsen sind, noch weniger trauen, sich damit zu outen und dazu zu stehen und zu sagen, das kann ich nicht.

01:07:40: Das ist noch schwieriger, als wenn man weiß, ja gut, wenn man Kurden war, dann durfte man gar nicht in die Schule, weil die Eltern das gar nicht wollten.

01:07:50: Und dann ist man noch mal eher vielleicht bereit, das zu outen, dass man da Unterstützung bräuchte, als wenn man eben in Deutschland aufgewachsen ist, wo es ja theoretisch für alle ein Schulsystem gab.

01:08:03: Klar, aber man hat ja immer wieder, dass man durch die Schule gehen kann, ohne lesen und schreiben zu lernen.

01:08:09: Ich finde es sehr erstaunlich, aber... Ja, aber du hast vorhin ja auch irgendwie gesagt Alphabetisierungskurs,

01:08:15: ne?

01:08:15: Genau, genau.

01:08:16: Den

01:08:16: bietet ihr an.

01:08:18: Ja, das bisher ging das.

01:08:19: Jetzt geht unsere Mitarbeiterin, weil sie ihr Studium beendet hat und da müssen wir gucken, ob wir da wieder jemanden finden, der das ersetzen kann und ob wir uns das eben auch leisten können von der Zuwendung, weil solche kleinen Jobs sind natürlich diejenigen, die dann auch am ersten... gestrichen werden müssen, also da muss ich natürlich rechnen, kriegen wir das wieder hin.

01:08:45: Ach Mensch, ja, ganz viel Problem hier, kannst du bitte am Ende?

01:08:49: Also wirklich,

01:08:50: Messie

01:08:51: und Demenz und ganz die Krankheit, aber das ist doch auch ein Ort.

01:08:56: Wo es sehr schön ist.

01:08:57: Ja, total.

01:08:58: Wir haben

01:08:59: jetzt viel über Probleme und Stress, Fenster auf, Fenster zu und sonst was geredet.

01:09:04: Wir haben Feiern und ... Erzähl

01:09:06: mal eine tolle Situation zum Schluss nach.

01:09:08: Irgendwas ganz

01:09:09: Lustiges.

01:09:11: Wir haben ja ... Tische, die sich lautstark lachend den Nachmittag vertreiben und die sich auch bedanken und die sagen, ach, toll, dass es euch gibt.

01:09:21: Und die ja überhaupt, dass sie kommen.

01:09:24: Also hier ist ja niemand verpflichtet herzukommen, dass sie überhaupt eine Motivation haben, sich noch mit PCs zu beschäftigen, mit Digitalisierung oder eben auch Lesenschreiben verbessern wollen.

01:09:36: Also das und auch, dass sich überhaupt verschiedene Nationalitäten hier in Raum aufhalten und das möglich ist, dass wir hier friedlich miteinander feiern und die Nachmittage verbringen.

01:09:49: Das ist ein ganz, ganz großer Benefit und den finde ich auch ganz wunderschön.

01:09:55: Das ist doch schön.

01:09:58: Und hier sind ja auch schon Freundschaften entstanden und so.

01:10:00: Auf

01:10:01: jeden Fall, ja, genau.

01:10:02: Und einige sind auch stolz, dass sie sich dann jetzt zum Beispiel selbst organisiert treffen, auch in den Weihnachtsferien oder so, dass sie dann auch sagen, Mensch, wir können doch auch mal da und dahin gehen oder so.

01:10:13: Ja, das sind dann die positiven Seiten, die wir natürlich auch mitbekommen.

01:10:18: Das ist schön.

01:10:19: Dann wünsche ich, dass diese Menschen trotz eurer Schließung ein schönes Weihnachtsfest haben.

01:10:26: Und dir wünsche ich sehr, dass du abschalten kannst.

01:10:30: Und die Tage einfach nur mit deiner Familie mal genießen kannst.

01:10:35: Danke.

01:10:36: Ganz, ganz herzlichen Dank für das Gespräch.

01:10:38: Ja, sehr gerne.

01:10:41: Wir bedanken uns für die Unterstützung von kulkietsturen.de.

01:10:44: Seit zwanzig Jahren Deutschlands bekannteste Anbieter von Sön-Pauli-Führung.

01:10:47: Mit einer bunten Vielfalt außergewöhnlicher Guides von der anerkannten St.

01:10:51: Pauli Historikerin über Promis aus der Olivia Jones Familie bis zur engagierten Sexworkerin.

01:10:57: Viele der Guides waren auch schon bei uns im Kiezmenschen-Podcast zu Gast.

01:11:00: Ein Best of gibt's auf kultkieztonen.de slash Kiezmenschen.

01:11:05: Wenn ihr Lust habt, schaut doch mal bei Insta nach Kiezmenschen.

Über diesen Podcast

Von Rotlicht bis Blaulicht, von Glamour bis Gosse – jede Woche trifft die MOPO Menschen, die den Hamburger Kiez prägen. Sie nehmen uns mit in ihre Welt, plaudern offen über Persönliches und legendäre Geschichten. Diese Menschen sind es, die den weltweiten Ruf von St. Pauli ausmachen. Herzlich, persönlich, nah dran. Der Podcast erscheint begleitend zur Serie „Kiezmenschen“ in der Wochenendausgabe der Hamburger Morgenpost.

von und mit Hamburger Morgenpost

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